Kein hypothetisches Szenario, sondern Realität seit dem 24.02.2022
Die Vorstellung eines sogenannten „russischen Friedens“ ist kein hypothetisches Schreckensszenario – es ist die bittere Realität, die seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 die besetzten Gebiete prägt. In diesen Gebieten erleben die Menschen ein Leben unter brutaler Besatzung, das von systematischer Gewalt, Unterdrückung und Angst geprägt ist. Was jetzt schon geschieht, würde durch einen Diktatfrieden nur dauerhaft legitimiert und den betroffenen Menschen die letzte Hoffnung auf Freiheit nehmen. Statt Frieden zu bringen, würde ein solcher Zustand das Leid der Zivilbevölkerung ins Unermessliche steigern – und die Welt würde wegsehen.
„Russischer Frieden“ und „russische Welt“
Die Aussage, dass „Russischer Frieden“ wörtlich übersetzt aus dem Russischen „Russische Welt“ bedeutet, verdeutlicht die Doppeldeutigkeit und die propagandistische Natur dieses Begriffs. Wie der bekannte Roman von Tolstoi „Krieg und Frieden“ eigentlich „Krieg und die Welt“ bedeuten sollte, so spielt die russische Propaganda mit dieser Mehrdeutigkeit. Der Begriff „Russische Welt“ wird gezielt genutzt, um Gebiete zu bezeichnen, die Russland angeblich kontrollieren soll, sei es durch kulturellen Einfluss oder militärische Besetzung.
Auf Russisch bedeutet das Wort „мир“ sowohl Frieden als auch Welt. Diese sprachliche Doppeldeutigkeit wird in der russischen Besatzungspolitik auf zynische Weise instrumentalisiert. So ist unter den russischen Besatzern ein Witz populär geworden: „Wir wollen nur Frieden, am besten die ganze Welt“ („Нам нужен только мир, желательно весь“). Diese Aussage bringt zynisch auf den Punkt, dass der sogenannte „russische Frieden“ in Wirklichkeit der Versuch ist, Kontrolle über immer mehr Territorien auszuüben.
Das Freiluftgefängnis der besetzten Gebiete
Seit Beginn der Besatzung haben sich die von Russland kontrollierten Gebiete in die größten Freiluftgefängnisse der modernen Geschichte verwandelt. Die Einwohner werden überwacht, kontrolliert und ihrer grundlegenden Rechte beraubt. Willkürliche Verhaftungen, Folter und „Verschwindenlassen“ von Menschen gehören dort zum Alltag. Kritische Stimmen oder bloße Loyalitätsverdächtigungen reichen aus, um das Leben der Betroffenen zu zerstören.
Die Massaker von Bucha und anderen Orten haben die Welt kurzzeitig erschüttert. Doch was geschieht, wenn diese Zustände durch einen Diktatfrieden zementiert werden? Wenn keine Befreiungsperspektive mehr existiert, werden diese Gräueltaten zum Alltag – unsichtbar und ignoriert von der westlichen Welt.
Kinder: Opfer systematischer Indoktrination
Auf den besetzten Gebieten der Ukraine haben die russischen Besatzer längst begonnen, Kinder zu indoktrinieren. Schulen folgen nun dem russischen Lehrplan, in dem ukrainische Geschichte ausgelöscht und durch russische Propaganda ersetzt wird. Kinder werden gezwungen, russische Hymnen zu singen, Flaggen zu schwenken und in patriotischen Lagern an paramilitärischen Trainings teilzunehmen.
Was bleibt, wenn diese Zustände dauerhaft werden? Eine Generation, die ihrer Identität beraubt wurde, die nicht weiß, dass sie Ukrainer ist, und die darauf konditioniert wurde, die Unterdrücker als Befreier zu sehen. Ein solcher Frieden wäre nicht das Ende des Krieges, sondern der Beginn eines Generationentraumas.
Männer: Zwangsrekrutierung und Kriegseinsatz
Männer in den besetzten Gebieten werden bereits jetzt unter Androhung von Gewalt zur Zwangsrekrutierung in die russische Armee gezwungen.
Sie werden an die Front geschickt, oft ohne Ausbildung, oft gezwungen, gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen. Diese Praxis ist kein Einzelfall, sondern systematisch.
In den sogenannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk wurden bereits über 90 % der Männer rekrutiert und sind entweder gefallen oder verwundet. Dies zeigt das Ausmaß der Zwangsrekrutierung in den besetzten Gebieten und den zynischen Umgang mit menschlichem Leben. Ein Diktatfrieden würde diese Realität dauerhaft machen.
Für viele Familien bedeutet dies, ihre Väter, Söhne oder Brüder zu verlieren – nicht durch den Kampf für ihr eigenes Land, sondern durch Zwangsdienste für die Besatzer. Ein solcher „Frieden“ raubt nicht nur das Leben, sondern auch jede Würde.
Jede Form von Protest wird brutal erstickt
In den besetzten Gebieten gibt es keine Meinungsfreiheit, keinen Platz für Dissens oder Protest. Wer es wagt, sich gegen die Besatzung zu äußern, riskiert Verhaftung, Folter oder das „Verschwindenlassen“. Diese brutalen Methoden, die wir aus Orten wie Mariupol, Melitopol und anderen besetzten Städten kennen, sind keine Ausnahmen – sie sind die Regel.
Ein Diktatfrieden würde dieses System nicht beenden, sondern es stärken. Er würde den Menschen nicht nur ihre Gegenwart, sondern auch jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft nehmen.
Wenn der Westen wegschaut
Die Massaker von Bucha und die Gräueltaten in Irpin, Mariupol und anderen Städten haben kurzzeitig die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gezogen. Doch was passiert, wenn ein Diktatfrieden durchgesetzt wird? Die Welt wird sich abwenden, die besetzten Gebiete werden aus den Schlagzeilen verschwinden, und die Menschen dort werden allein mit ihrem Leid zurückgelassen.
Ein solcher Frieden wäre nicht nur eine Kapitulation vor Russlands Aggression, sondern auch ein Verrat an den Prinzipien von Freiheit und Menschenrechten. Die Zivilbevölkerung würde im Stich gelassen, und das Leid würde nur noch schlimmer werden – unsichtbar und unbeachtet von einer Welt, die sich neuen Themen zuwendet.
Kein Frieden, sondern Unterdrückung
Der „russische Frieden“ ist kein Frieden, sondern die Institutionalisierung von Gewalt, Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen. Er bedeutet nicht das Ende des Krieges, sondern das Ende der Hoffnung für die Menschen in den besetzten Gebieten. Die Welt muss verstehen, dass ein solcher Frieden keine Lösung ist, sondern eine Vertiefung des Leids.
Es liegt in der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft, diesen Zustand nicht zu akzeptieren. Die Menschen in den besetzten Gebieten verdienen Freiheit und Gerechtigkeit – nicht ein Leben in Angst und Unterdrückung, das durch die Bequemlichkeit eines Diktatfriedens zementiert wird.